ein Spannungsbogen mit Potential

Blogbeitrag hr4hr vom Februar 2018

Die aktuelle Diskussion rund um die Entwicklung der Digitalisierung drängt das Thema ‚Demografi­scher Wandel‘ zeitweilen in den Hintergrund. Und doch hängen diese beiden Themen meiner Meinung nach eng zusammen.

Aus dem westgermanischen Wort ‚al-a‘ abgeleitet, ist die Bedeutung von Alt oder Altern mit Wachsen und Nähren übersetzt. In vielen Kulturkreisen wird das Alter mit Reife und Weisheit in Verbindung ge­bracht. Diese Sicht auf das Leben scheint uns etwas abhandengekommen zu sein.

In der Welt des Marktdenkens haben sich zwar Absatzmärkte entwickelt, in denen unter anderem ältere Menschen ins Zentrum gerückt wurden. Die Pharmaindustrie kurbelt mächtig am Alters-Karussell mit der gut gemeinten Überzeugung, alle so lange als möglich jung zu erhalten. Da die ‚fitten‘ Alten meist zahlungskräftig sind, hinken auch die Reise- und Modebranche nicht hinterher und die Bildungsinstitute möchten ebenso einen Teil des Kuchens für sich abschneiden.

In der Arbeitswelt setzte sich dieser Trend bisher nicht durch - im Gegenteil. Überspitzt gesagt geht die Schere zwischen immer schneller und immer langsamer, also zwischen Jung und Alt, je länger je mehr auf. Gibt es ein Rezept diese Zunahme zu stoppen? Wer soll oder muss die Initiative ergreifen? Ein allgemein gültiges Rezept gibt es wohl nicht.

Die VUKA-Welt fordert uns in unterschiedlicher Ausprägung heraus. Die Entwicklung rund um die Digi­talisierung verunsichert, die Medien tragen ihres dazu bei. Immer schneller, weiter und höher. Gerade in Bezug auf die älter werdenden Mitarbeitenden geht man schon fast davon aus, dass diese es wohl nicht mehr packen. Chancen werden selten erwähnt. Gegentrends sind ansatzweise erkennbar, ob sich diese durchsetzen wird sich zeigen.

In Bezug auf den Generationen-Mix in Unternehmen stelle ich fest, dass das Demografie-Thema zwar erkannt ist, viel darüber gesprochen wird, jedoch noch keine wirklich griffigen und nachhaltigen Umsetzungen praktiziert werden. Selbstverständlich gibt es bereits die eine oder andere lobenswerte Ausnahme. Die Literatur bietet dazu einige interessante Ideen.

Die Verlockung, einen jungen, dynamischen und spritzigen Mitarbeitenden zu gewinnen ist selbstver­ständlich gross. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Es wird zwar nicht offen kommuniziert, die Ein­stellungspolitik verschiedener Unternehmen zielt jedoch oft daraufhin, jugendzentriert zu entscheiden. Grosszügige Vorruhestandsregelungen sind ein weiteres Beispiel wie dem Umstand begegnet wird, die Alten lieber frühzeitiger aus dem Arbeitsprozess zu entlassen. Zuvor werden diese oftmals in eine ‚Schonhaltung‘ abgestellt und mit Tätigkeiten beauftragt welche nicht ihren Wünschen und Fähigkeiten entsprechen. Die Kommunikation findet dabei oftmals nicht mehr auf Augenhöhe statt. Man könnte meinen, älteren Mitarbeitenden müsse aufgezeigt werden, was für sie gut sei….

Jüngere Mitarbeitende feilen an ihrer Karriere, engagieren sich in der Familie und im sozialen Umfeld – oftmals unverhältnismässig und ungesund, was schon viele in einen Burn-Out getrieben hat. Dem­gegenüber stehen die Alten, denen man immer weniger zutraut und ihnen nicht nur eine mangelnde Leistungsfähigkeit attestiert sondern auch eine fehlende Offenheit für Neues.

Könnte es sein, dass wir trotz unzähliger Debatten nicht wirklich miteinander reden? Was kann jeder Einzelne dazu beitragen? Ich bin überzeugt, dass gerade Personal-Verantwortliche mit Kreativität und einer Portion Mut neue Modelle entwickeln und implementieren könnten. Denn die HR-Abteilung kennt die entsprechende Unternehmenskultur, weiss Bescheid über praktikable Führungsinstrumente und kann darüber hinaus aus der nötigen Distanz Einfluss nehmen.

Können wir von Mitarbeitenden im fortgeschrittenen Alter im beruflichen Alltag Nahrung (Erfahrungs­austausch) und Wachstum (Entwicklungsunterstützung) gemäss ursprünglicher Bedeutung erwarten? Ich meine ein Potential zu erkennen, sofern wir ältere Arbeitskollegen würdevoll und konstant pflegen aber auch herausfordern. Denn Leistung wird erzielt durch Können x Wollen x Dürfen. Diese Formel gilt für Jung und Alt. Über all dem sollte ein Dach des Vertrauens stehen.

Ich bin mir bewusst, dass meine Überlegungen nichts Neues für Sie sind. Trotzdem ermuntere ich Sie, im Alltag diesem Thema Beachtung zu schenken, Achtsam zu sein und vielleicht im einen oder ande­ren Fall kreativ, mutig und ausgleichend zu agieren. Dies zum Wohl von Jung und Alt.

Denn: Auch wenn wir es zeitweilen, in der auf Jugendkult ausgerichteten Gesellschaft nicht gerne hö­ren – wir werden alle älter!